Freitag, 20. Mai 2011
Fremde Fötzel 1
Die Schwarze Liste der invasiven Neophyten ist allseits bekannt. Die Identifikation der aufgelisteten Planzen ist meist vom Schiff (resp. Zugfenster) aus ohne weiteres möglich. Bis auf Arthemisia verlotiorum und Rubus armeniacus , bei welchen zur sicheren Bestimmung etwas genauer hingeschaut werden muss um sie nicht mit ihren einheimischen Verwandten zu verwechseln (oder umgekehrt).

Genau solche fremden Fötzel mit ähnlichen einheimischen „Schwesterarten“ bereiten mir Sorge und Mühe. Vor lange Zeit wunderte ich mich über den außerordentlich kräftigen Wuchs vom Amelanchier ovalis , den sogenannte Naturgärtner frisch und fröhlich in lauschige Gärten pflanzen. Angesichts einer Allee hochstämmiger Amelanchier (Die langen schmalen Kronblätter sind unverwechselbar) wurde ich dann doch mal skeptisch und konsultierte Landolts „Flora der Stadt Zürich“ (DER Geheimtipp um Gartenpflanzen als solche zu entlarven): Wahrhaftig, alle Felsenbirnen, welche so auffällig kräftig in die Höhe wachsen sind Nordamerikaner namens Amelanchier lamarkii oder A. spicata . Nach Landolt zeichnet sich der wahre A. ovalis durch einen kurzen Griffel (überragt Blütenbecherrand nicht) seine aussen behaarten Kronblätter und <8 Blüten pro Traube aus. Aus www-Quellen ist ausserdem zu erfahren, dass Die Gattung in Nordamerika mit ca. 20 Arten vertreten ist und diese teils schwer auseinander zu halten sind (Hybriden, Polyploidie, Apomixis, halt so das übliche). Und wo ist jetzt das Problem, die amerikanischen Felsenbirnen sind ja weder invasiv noch besonders hässlich?

Ich sehe das Problem dort wo Leute gutes für die Natur tun wollen („Lasst uns eine Hecke pflanzen!“), in der Baumschule vermeintlich einheimische Sträucher kaufen und fremde Fötzel verkauft bekommen. Oder gar noch schlimmer, wenn bei grossflächigen Renaturierungen die Landschaft mit versteckten Fremdlingen gespickt wird!

Dem letzten solchen „Etikettenschwindel“ bin ich kürzlich im Luzernischen an einem frisch renaturierten Bachlauf entlang einer Autobahn begegnet. Zwischen einer erfreulichen Vielfalt von frisch gepflanzten einheimischen Sträuchern stachen mir gelb-rote Ruten von ebenfalls gepflanzten Weiden ins Auge. Ich dachte mir: „oh, schade, wieso Salix-Hybriden anstatt reine Arten? Das wird wohl S. alba x S. fragilis = S. x rubens sein“ Von weitem erspähte ich eine Etikette an einer der Weiden und wollte mir – naiv wie ich bin – endgültige Klarheit verschaffen über die Identität dieser Weiden, welche malerisch den Bachlauf säumen. Bei der Etikette angekommen erlebte ich natürlich eine Enttäuschung (siehe Foto).

Von mir aus kann dies irgend eine Salix -Art sein, aber die deklarierte S. viminalis ist’s bestimmt nicht! Keinerlei Anzeichen von der typischen Behaarung auf der Blattunterseite, viel zu grobe Zähnung etc. Schade eigentlich, habe ich doch am selben Tag in einem nahe gelegenen Naturschutzgebiet mich an wahren S. viminalis erfreut, und Steckhölzer derselben würden wohl auch in einer frisch renaturierten Fläche ohne weiteres Fuss fassen.

Abschliessen will ich mit drei provokativen Fragen und ebensofreche Antworten drauf:
Erleben wir eine schleichende Überfremdung unserer Flora, durch Fremde Fötzel, welche wir selbst nicht als solche erkennen? - Ich fürchte ja!
Wie gross ist der Anteil an Etiketten mit einheimischen Weidennamen drauf, welche wirklich an der entsprechenden Art hängen? - Ich glaube erschreckend tief!
Was kann man dagegen tun? 1. ) Gute Botaniker sein und die Fötzel als solche erkennen! 2.) Ein Skandal draus machen und die Fakten an die Öffentlichkeit zerren!

Cheers, Botdany

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